Geben und nehmen

Vor einigen Jahren bat mich ein junger Mann auf der Strasse ihm etwas essen zu kaufen. Er war offensichtlich in Drogen verwickelt. Ich ging mit ihm in einen Laden und als wir über die Türschwelle traten fragte er: "Was darf ich haben?" In dem Moment hat es mir einen Stich ins Herz gegeben und ich dachte mir mir, wie furchtbar es doch sein muss, wenn man als erwachsener Mensch so betteln muss, es fühlte sich würdelos an für mich. Und ich fühlte mich auf einmal so gar nicht grosszügig oder gutmütig, da war ein unangenehmes Gefälle zwischen mir der Gebenden und ihm dem Nehmenden.

Mit dieser Anektode aus meinem Leben möchte ich euch dazu einladen, das Thema Grosszügigkeit zu beleuchten. Spürt in euch hinein, was es für euch bedeutet und wie ihr es definiert. Wann sind wir wahrlich grosszügig, helfen wirklich aus dem Herzen heraus und wann sind wir bloss gönnerhaft? Ich denke, dass dies von Situation zu Situation unterschiedlich ist. Wichtig scheint mir, dass wir die Hilfe geben, die unser Gegenüber auch wünscht, braucht, bereit ist anzunehmen. Zu tun was wir für da Beste halten, was wir glauben der andere brauche es, ist keine wahre Hilfe, es ist vielmehr eine Grenzüberschreitung, eine Entmüdigung getarnt im Mantel der Nächstenliebe.

Was zum Geben genauso dazu gehört, ist das nehmen können, bitten können. Wie könnten wir je wahrlich geben, wenn wir nicht selbst fähig sind, uns einzugestehen, dass wir dann und wann Hilfe brauchen? Wenn wir unfähig sind Geschenke, Hilfe, Gaben anzunehmen, dann verkommt unser Geben, unsere Grosszügigkeit zum Märtyrertum.

Zur wahren Grosszügigkeit gehört also eine Balance zwischen Geben und Nehmen. Es bedingt eine Begegnung auf Augenhöhe zwischen Helfer und Hilfesuchendem. Und sie bedarf Mitgefühls, Feinfühligkeit und Empathie, um erkennen zu können, was wirklich gefordert ist in einer jeweiligen Situation. Und manchmal ist das grösste Geschenk, das wir einem Menschen machen können auch ein Nein. Ein Nein, das aus Liebe gesprochen wird, das den anderen dazu ermächtigt in seine eigene Kraft zu kommen und zu wachsen, ihn in seiner Würde belässt.

Ich hoffe der junge Mann von damals hat den Weg aus seiner Sucht gefunden.

 

Stimmt bei euch geben und nehmen? Wie stehts um eure work-life Balance? Macht ihr gerne Geschenke? Könnt ihr um Hilfe bitten? Was gibt euch die Rolle des Helfenden? Könnt ihr auch Almosen annehmen? Könnt ihr ein Nein akzeptieren? Könnt ihr ein Nein aussprechen? Gebt und nehmt ihr aus vollem Herzen?

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