Wenn die blätter fallen

Ich liebe es mit Kindern zu philosophieren. Ich finde es bereichernd mit ihnen Fragen zu erkunden, auf die es keine richtige oder falsche Antwort gibt, zu erfahren, wie sie die Welt sehen, was in ihren kleinen Köpfen vorgeht. Und es ist immer wieder erstaunlich, was bei solchen Gesprächen herauskommt.

 

Kürzlich stellte ich, durch einen Artikel inspiriert, folgende Frage: „Ist der Baum eigentlich traurig, wenn er seine Blätter verliert?“ Einer meiner Schützlinge antwortete sogleich mit Ja. Als ich nachfragte warum sagte er: „Weil er dann doch friert.“ Eine Antwort, die mich sehr gerührt hat.
Mein grosser Sohn meinte dann jedoch: „Nein, er ist nicht traurig.“ Als ich auch hier nach dem Grund seiner Antwort fragte, sagte er:“ Wenn ich ein Baum wäre, dann wüsste ich ja, dass der Frühling wieder kommt. Und ich hab ja noch die Rinde.“ Und einmal mehr, dachte ich mir: Wow, danke, dass du mein Lehrer bist.

 

Ein derartiges Schicksalsvertrauen, wie mein Sohn in dem Moment bewiesen hat, wünschte ich mir auch. Wie oft übermannen mich in Augenblicken grösserer Herausforderungen die Zweifel und ich verliere den Blick dafür, dass auch dies vorbei geht, dem Wandel unterliegt. Dann sehe ich nur die fallenden Blätter, die am Boden liegen, langsam vertrocknend, dahin welkend. Ich vergesse die Kraft, die noch in den Ästen keimt, das neue Leben, welches unter der Erde schlummert und welche einzig der Geduld und des Geschehen lassens bedarf, um wieder aufblühen zu können und in neuer Schönheit zu erstrahlen. Ja, in solchen Momenten der Krise bin ich sehr Mensch und verliere oft das Vertrauen. Und ich wünsche mir in Zukunft, mich des Baumes zu erinnern, der nicht über das verlorengegangene Laub trauert, im Wissen, dass da ein neuer Frühling kommt und mit ihm neues Leben.

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